Angst, du bist willkommen!

Ein paar Tage fühlte ich mich wie gelähmt. Ich war unfähig Neues zu denken und so räumte ich auf. Das Büro, die Küche…
Dann war mein Kopf dran. Ich las in einem Buch etwas über drei Schritte, wie man mit unerwünschten Gefühlen umgehen kann. Natürlich war das kein naturwissenschaftliches Buch, ich bin ja auch Pädagogin und so nahm ich mir die Zeit, diese drei Schritte auszuprobieren. Erst einmal sollte ich herausfinden, welches Gefühl gerade bei mir anklopfte. Ich bekam schnell eine Antwort. Es war die Angst.
Dann sollte ich die Angst  in meinem Kopf willkommen heißen. Und dann abwarten was passiert. Ich wurde wirklich ruhiger. Und es entstand diese Geschichte oder dieser Dialog in meinem Kopf, den ich jetzt aufgeschrieben und etwas ausformuliert habe.

Hallo Angst, du klopfst an meine Tür. Ich heiße dich willkommen.  Setz dich zu uns an den Tisch. Darf ich vorstellen, hier sitzt auch noch die Freude, die Wut, die Scham, die Hilflosigkeit, die Zuversicht, die Hoffnung, die Ratlosigkeit, aber auch der Mut. Was willst du uns sagen?  Die Angst ist etwas irritiert. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie wurde sogar eingeladen. Dann fragte sie: „Darf ich bitte nur ein bisschen bei euch bleiben?“

Jetzt wo wir schon einmal alle zusammensitzen, sollten wir die Gelegenheit ergreifen und uns richtig austauschen. Wer hat noch etwas, was er gerne los werden möchte. Die Freude springt auf und ruft voller Begeisterung: „Hört ihr die Vögel singen? Und schaut hoch an den Himmel. Er ist tiefblau und weiße Wolken zeigen sich wie kleine Schäfchen. Es riecht nach Frühling und die Sonne lacht. Also, Kopf hoch.“
Die Zuversicht meldet sich ebenfalls. Ihre Stimme klingt leise und sie wählt sehr bewusst ihre Worte: „Mir fällt im Moment nur ein Gedicht aus Afrika ein.“ „Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.“Es blieb lange Zeit still in dieser Runde, bis sich die Ratlosigkeit zu Wort meldete. „Wie soll das denn gehen? Kleine Dinge?“
„Ich schäme mich, wir denken nur an unsere Vorteile, an unser persönliches Wohlergehen, aber ich glaube, dass es Mutter Erde damit nicht besonders gut ergeht,“ ergänzte die Scham. „Ich schäme mich wirklich sehr, ich kann fühlen, wie sehr Mutter Erde leidet.“
Der zurzeit kleine Mut rutscht auf seinem Stuhl hin und her, bis es dann einfach so aus ihm herausplatzte. „Wir alle können etwas tun, jeder einzelne von uns ist hier wichtig und hat seinen Platz.“ Wir alle hier sind wichtig, das hat jeder verstanden. Aber ist das auch so? „Ich bin also auch wichtig?“, fragt die Wut.
„Natürlich, warum denn nicht“ sagte die Hoffnung. Doch die Wut gab zu Bedenken: „Ich habe manchmal so einen Zorn in mir. Da könnte ich Tassen, Teller, Tische und Stühle durch die Gegend werfen und ich bin voller Zornesröte. Hinterher schäme ich mich zwar oft für meinen Ausbruch, aber dann ist es leider zu spät.“ Etwas hilflos wurde die Wut von der Hilflosigkeit in den Arm genommen. „Weißt du“, sagte sie, „ich wäre manchmal gerne wütend. Ich finde, dass Wut in seiner gesunden Form auch Klarheit schaffen kann. Wut ist dann nützlich, wenn man wirklich bereit ist, etwas zu verändern.“ Alle anderen nicken verständnisvoll mit dem Kopf.
In diesem Moment richtet sich die Angst auf. Sie spürt, dass sie wirklich in dieser Runde willkommen war, ja sie begriff, dass sie sogar ein Recht hat, hier zu sein. Alle waren hier gleich wichtig.
Die Freude konnte im Gesicht der Angst lesen, dass sie gerade etwas begriffen hatte. Und sie sagte zu ihr: „Weißt du, Angst zu haben, kann uns in manchen Situationen sogar retten. Und sie kann uns helfen, unsere eigenen Grenzen zu sehen. Sie macht uns wach und wir können lernen, das Unbekannte anzunehmen und sogar willkommen zu heißen.“
In diesem Moment war das Eis gebrochen, denn die anderen hatten es leichter, sich mit ihren Fähigkeiten einzubringen.
Das Wichtigste war aber, dass sie erfahren haben, dass jedes Gefühl einen Platz in dieser Runde hatte.
Ich danke euch für dieses Gespräch und diese Runde in meinem Kopf. Ich habe gut zugehört. Und mir geht es sehr viel besser.

Die Bilder sind aus meiner Galerie. Sie wollten irgendwie auch mit hinein in diese Geschichte.

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