Der Kalbfleischapfel ist es geworden!

Eigentlich war das Wetter viel zu schön, um den Sonntagnachmittag im Haus zu verbringen, gerade wenn man vor so einer schönen Kulisse tagen kann.  Das meinte auch der Pomologe Steffen Kahl, der an diesem Tag Experten, Kenner, Vermarkter und Neugierige (wie mich) begrüßte und auf den Tag einstimmte.
Höhepunkt sollte an diesem Nachmittag die Wahl der Hessischen Lokal- und Streuobstsorte des Jahres 2019 sein.  Die verantwortlichen Mitglieder des hess. Pomologenvereins wollen mit dieser Veranstaltung   auf alte, erhaltenswerte Obstsorten in Hessen aufmerksam machen. Dabei werden jedes Jahr entsprechende Aktionen durchgeführt und somit wichtige Öffentlichkeitsarbeit geleistet.

Die Streuobstfreunde werben damit für selten gewordene heimische Obstsorten, um sie wieder zu verbreiten und langfristig zu erhalten.
Die Organisation vor Ort übernahmen die Streuobstwiesenretter (www. streuobstwiesenretter.de), die an diesem Nachmittag die Anwesenden über ihre erfolgreiche ehrenamtliche Arbeit informierten.  Florian Schuhmacher und Martin Schaarschmidt berichteten  eindrucksvoll von ihren Aktionen und „Rettungsmaßnahmen“ seit der Gründung  im Jahre 2011.
Ihr Wirken umfasst weit mehr als die Pflege und den Erhalt der Streuobstwiesen. Sie präsentierten auch ihre zeitgemäße Marketingstrategie.
Aus den „jungen Wilden“ wurden inzwischen ernstzunehmende Botschafter, die sich motiviert und mit viel Spaß für die Rettung der Streuobstwiesen als einen charakterischenTeil der hessischen Kulturlandschaft  einsetzen.
Zum besseren Verständnis: Hessens Landschaft war einst geprägt von hochstämmigen Obstbäumen. Doch nachdem man sogar Rodungsprämien in den siebziger Jahren vergab, wurde es ernst und einfältig.
Mehr als 5000 Tiere und Pflanzen auf der Streuobstwiese zeugen von einer großen Artenvielfalt. Der Steinkauz, meine Lieblingseule, hat hier seinen Lebensraum.
Man kann die Streuobstwiesenretter wirklich als Retter bezeichnen, denn wenn man erfährt, dass die Streuobstwiesenbestände in den letzten Jahrzehnten um 75% zurückgegangen sind, dann war es höchste Zeit, dass sich gerade junge Menschen wieder mit dem Erhalt dieser wertvollen Kulturlandschaft auseinandersetzen und Mitstreiter suchen und finden.
Viele regionale Sorten sind seitdem verschollen und auch das Landschaftsbild zeigt sich verwahrlost. Außerdem fehlte die Vernetzung der Akteure, die sich um den Schutz der Bäume kümmern.
Von manchen Sorten gibt es heute nur noch einen Baum. Ich erinnere mich noch gut, als es einen Aufruf der Retter gab: „Gesucht wird Hans Kasper“. Und? –  Er wurde gefunden und er stand bei der heutigen Veranstaltung der Pomologen sogar im Mittelpunkt, zusammen mit dem Pflasterapfel und dem Kalbfleischapfel.
Herr Kahl ergriff das Wort und teilte die Anwesenden in drei Gruppen ein. Sie sollten sich mit den drei genannten Sorten auseinandersetzen, ihre Vorzüge finden und weitere interessante Merkmale und Informationen zusammentragen. Jede Gruppe stellte dann ihren Apfel vor. Es war ein Werben um die meisten Stimmen.
Bei einer Sorte ergänzte jemand aus dem Publikum: „Diese Sorte kann auch weiter weg vom Haus gepflanzt werden, der wird nicht gestohlen“.
Liegt das daran, dass er vielleicht vom Geschmack her eher als Kelterapfel geeignet ist? So wie der Speierling, den ich schon selbst probiert habe.  Er wird seinem Namen gerecht. Es geht aber nicht nur um den Tafelapfel.
Inzwischen wird nämlich das Obst der Streuobstwiese  wieder wertgeschätzt.
Wir haben am Naturschutzzentrum auch ein paar Obstbäume und ich habe inzwischen ein Auge auf unsere Bäume, denn auf den Geschmack kommen auch BesucherInnen, die manchmal vergessen, dass die Bäume  ja jemanden gehören und die Besitzer gerne selber ernten würden.

Dann kam es zur Abstimmung. Die Wahl fiel mit großer Mehrheit auf den Kalbfleischapfel. Herzlichen Glückwunsch!
Eine gute Stimmung herrschte im Raum. Alle waren zufrieden. Jetzt blieb noch genügend Zeit für die Reiser-Tauschbörse, auf die alle Lust hatten. Ich konnte, entschuldigen Sie, wenn ich es so einfach sage, mir gar nicht vorstellen, was da passiert. Da lagen einfache Ruten, die genau unter die Lupe genommen wurden, da wurde fachgesimpelt und spezielles Wissen ausgetauscht. Eine ganz andere Welt, von der ich nur wenig verstehe. Gut, dass wir so verschieden sind. Wie die vielen verschiedenen Apfelsorten.

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