Die Wiederentdeckung der Langsamkeit

Heute war ein ErzieherInnenteam aus Bobstadt aus dem Ried zu Gast. Wie eine Teilnehmerin im Gespräch formulierte, wussten die ErzieherInnen nicht, wohin sie der Betriebsausflug führen wird. Die Einladung sei geheimnisvoll gewesen. Es sei die Rede von Langsamkeit und Schnecke gewesen. Insgeheim hatte sie sich schon gedacht, dass das Ziel das Naturschutzzentrum sein könnte. Sie kennt unser Programmangebot.
 

Wir erwarteten sie mit einem schön gedeckten Tisch. Das Frühstücksbuffet war aber nicht wie üblich mit fertig gerichteten Speisen aufgebaut. Auf dem Tisch lagen in einem Korb
frische Birnen, Äpfel und Zwetschgen von der Streuobstwiese, aber auch die letzten Himbeeren aus dem Garten. Zudem Hafer, Sahne und verschiedene Schüsseln, Brettchen und Messer.
„Na sowas“, könnten sie gedacht haben, „wir werden zum Frühstück eingeladen und sollen dann unser Müsli auch noch selbst zubereiten“. Aber genau das war unsere Absicht.

Gemeinsam in den Tag starten, sehen, was ich zubereite und eine gewisse Vorfreude auf den anschließenden Genuss wecken. – Ich hoffe, es ist uns gelungen.
Thomas unser ausgebildeter Gesundheitsberater stand ihnen zur Seite und durfte auch gleich die eine oder andere spezielle Frage beantworten. Er sagte zu mir: Das sind keine AnfängerInnen mehr, die haben sich schon gut mit dem Thema  Ernährung auseinandergesetzt. 
Als alles zubereitet war, durften sie sich an den gedeckten Tisch setzen und auch noch andere Köstlichkeiten probieren, wie unsere selbstgemachten süßen und herzhaften Aufstriche oder die letzten köstlichenTomaten aus dem Garten auf einem frischen Bauernbrot.

Herr Bergmann brachte mir eine Weinbergschnecke aus dem Garten. Dort wird sie nicht so gerne gesehen, aber für mich war sie heute eine Symbolfigur. Sie kroch ganz langsam über meine Hand und als sie sich sicher fühlte, wurde sie neugierig und kam aus ihrem Schneckenhaus.
Auch die Schnecke wurde mit Köstlichkeiten versorgt. Ihr Auftritt kam noch.

 Nach dem Frühstück trafen wir uns draußen. Ich erzählte ihnen zur Einstimmung die Geschichte von Klara, der Schnecke, die am Morgen, von den Sonnenstrahlen geweckt,  sich auf den Weg zu einer guten Futterstelle macht. Dabei trifft sie verschiedene Tiere, wie den Maulwurf Grabowski, das Kaninchen Fridolin  oder Franz den Frosch. Mit allen erlebt sie das Gleiche. Keiner hat Zeit für einen Plausch.  Niemand will mit ihr die herrliche Morgenstimmung am See teilen. Zu Franz dem Frosch sagt sie zum Beispiel schwärmerisch: „Siehst du nicht…“. Aber Franz der Frosch unterbricht sie. Er will nicht sehen! Er ist auf der Lauer nach dem Sonnenbarsch, der seit Tagen im Tümpel ganz gelassen seine Bahnen schwimmt, sehr zum Ärger von Franz. Seine Sinne sind vom Neid betäubt und das nur, weil er nicht so schön glitzert. „Warum bin ich nur grün und nicht so schillernd wie dieser Fisch?“, jammerte er vor sich hin.
Gott sei Dank teilt am Ende jemand ja doch noch jemand mit ihr diese Gemeinsamkeit  des Staunens über den herrlichen Morgen.
Die ErzieherInnen waren von der Stimmung am See ebenfalls angetan. Sie nahmen nicht nur die Farben des schon nahenden Herbstes auf. 
Inzwischen sensibilisiert, bat ich sie, unseren Eschenbaum, mitten auf dem Platz, genau zu betrachten. Die Äste wiegten sich im Wind und einige Blätter färbten sich bereits.  Aufgabe war es, zu reagieren, sobald sie merkten, dass ihre Gedanken abschweiften.
Gerade als wir diese Übung begannen, fuhr Marco, ohne von unserer Wahrnehmungsübung zu wissen, mit der Schubkarre polternd über den Platz. Ich war sofort abgelenkt und dachte: Ok, das ist ein echter Achtsamkeitskiller, aber einige konnten darüber hinweghören. Ich habe gelesen, dass man als Ungeübter kaum sechs Sekunden bei einer Sache bleiben kann. Probieren Sie es mal aus.

Es lag eine friedliche Stimmung in der Luft. Sie lud ein, sich einen Platz zu suchen, an dem man seinen eigenen Gedanken nachhängen konnte. Natürlich sind die Plätze am See bevorzugt, das silbern glitzernde Wasser, die Gänse und Enten, die viel Raum für sich haben, das wiegende Gras und ab und zu hüpfte auch ein Frosch ins Wasser.
Es fiel schwer, den richtigen Zeitpunkt zu wählen, um sie aus dieser Stimmung herauszuholen.
 
Bei einer späteren Befindlichkeitsrunde kamen Äußerungen wie: „ich empfinde Dankbarkeit“, ich spüre Frieden“ oder „ich spüre Vertrauen“. 

Sie waren  bereit für weitere Erfahrungen. Thomas und Annika übernahmen die Gruppe. Ich wollte nur ab und zu mit der Kamera ein paar Augenblicke festhalten.Die Bilder zeigen, wie konzentriert die einen bei ihren Bewegungsübungen bei der Sache waren. Während die andere Gruppe erst am Wasser nach den Lebewesen im Teich Ausschau hielt um sie dann beim Blick durch das Binokular  in einem neuen Licht sehen zu können. Staunen garantiert.
Wer eine Pause brauchte, um das Ganze zu verarbeiten oder noch besser verinnerlichen zu können, der tat dies in der Hängematte oder im Liegestuhl bei einer Tasse Latte Macchiato.
Ich selbst profitiere auch immer von solchen Veranstaltungen. Vor allem trainiere ich dabei meine eigene Wahrnehmung und die lässt sich allemal verbessern.
Danke, liebe Kolleginnen.

 

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